Wenn all unsere Arbeit am Computer entsteht, wie wichtig ist es dann noch Ideen zu Papier zu bringen? Ist dies nur noch eine nostalgische Angewohnheit, eine Modeerscheinung, oder hat es tatsächlich Sinn mit der Hand zu scribbeln?
Scribbeln bedeutet übersetzt soviel wie hinkritzeln (engl. scribble = Gekritzel, Krakelei) und darum geht es hierbei auch. Um das Aufkritzeln aller Ideen, die uns in den Sinn kommen, wenn wir uns mit einem neuen Projekt befassen. Bestenfalls schießen uns sofort einige Ideen in den Kopf. Jede einzelne davon ist wichtig. Im Grafikdesignunterricht habe ich einmal gelernt, dass keine Idee verworfen werden darf. Alles soll auf’s Papier und kein Scribble sollte wegradiert werden. Es könnte der Auslöser für eine noch größere und bessere Idee sein. Wenn nicht sofort, dann vielleicht später!
Es muss nicht perfekt sein
Scribbles zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht perfekt sind. Sie sind minimalistisch und müssen tatsächlich nicht gut aussehen. Es geht darum, die Ideen frei fließen zu lassen. Ausarbeiten kann man die ein oder andere dann immer noch. Ein Scribble muss also kein Kunstwerk sein. Es geht einzig und allein darum, den kreativen Motor in Gang zu bringen und ein paar Grundideen aus dem Kopf in die Realität zu katapultieren.
Durch diese unperfekte Darstellung von Einfällen, kann man innerhalb von wenigen Minuten ein ganzes Blatt Papier mit verschiedenen Ansätzen füllen. Um dasselbe am Computer, zum Beispiel mit Illustrator, zu vollbringen, kann schnell eine Stunde vergehen und wie viele Ideen fallen uns wieder aus dem Sinn, während wir damit beschäftigt sind, eine einigermaßen anschauliche Grafik zu gestalten. Wir müssen mit unseren Scribbles also niemanden überzeugen, sie sind erst einmal nur für uns selbst gedacht. Schön oder hässlich, hat hier keinen Stellenwert.
Einerseits können wir auf diese Weise ganz schnell alles festhalten, was uns einfällt, andererseits trägt scribbeln besonders dazu bei, einem komplexen Projekt eine gewisse Struktur zu geben. Handelt es sich zum Beispiel nicht um die Gestaltung eines Logos, sondern um eine umfangreiche Webseite mit komplizierter Navigation, dann trägt das Scribbeln der einzelnen Layouts dazu bei, eine Struktur zu bilden, um nicht den Überblick zu verlieren. Kaum jemand möchte so etwas gerne nur in seinen Gedanken ausarbeiten. Selbst wenn es um eine weniger umfangreiche Aufgabe geht. Auch eine Bildmarke lässt sich auf dem Papier nun mal einfacher modifizieren, als im Kopf. Dort stoßen wir nämlich dann irgendwann an unsere Grenzen.
Warum eigentlich scribbeln?
Scribbeln ist ein Prozess, den wir schon lange kennen und der manchmal sogar beinahe automatisch abläuft, wenn wir zum Beispiel beim Telefonieren gedankenlos vor uns hinkritzeln. Denn seit Kindertagen kennen wir es, zu Stift und Papier zu greifen und etwas zu visualisieren, das uns einfällt. Wir nehmen diese alte Gewohnheit nun mit in unseren Job, denn gerade zu einer Zeit, in der wir Dinge erschaffen, die wir nicht anfassen können – zum Beispiel Onlineshops, Apps oder Slogans – entsteht umso mehr das Bedürfnis zu Stift und Papier zu greifen, um den Ablauf und das Ziel für uns mit wenigen Strichen festzuhalten. Dies verschafft uns einen gewissen Überblick und die Kontrolle über das vor uns liegende Projekt und hat noch weitere folgende Vorteile:
Scribbeln…
…trägt zur Problemlösung bei.
…verbessert das Erinnerungsvermögen.
…hilft bei der Ideenfindung.
…hält den spontanen Ideenfluss lebendig.
…verbessert die Flexibilität.
…ermöglicht, diverse Ansätze mit Kollegen zu teilen und zu besprechen.
…ist ein tolles Training für Deine Zeichentechnik.
Große Auswahl
Indem Du viele Designansätze beim Scribbeln auf‘s Papier bringst, vermeidest Du es, Dich gleich zu Beginn auf nur eine Idee festzulegen und diese ohne Aussicht auf Alternativen umzusetzen. Hätte es nicht vielleicht eine bessere Lösung gegeben, wenn Du sie etwas weitergesponnen hättest? Außerdem richtet sich das Feedback der Kollegen oder des Kunden dann nur auf dieses eine Design und eine Alternative rückt dann eventuell noch weiter in den Hintergrund.
Vielleicht ist es Dir auch schon passiert, dass Du mehrere Designs entwickelt hast, aber Dir ganz klar war, für welche Idee sich der Kunde letztendlich entscheiden wird und am Ende wählt er erstaunlicherweise doch jene, die selbst nicht Dein Favorit war. Manchmal ist es eben nicht der erste Entwurf, von dem man selbst felsenfest überzeugt ist, sondern der dritte oder vierte.
Tipps zum Scribbeln
• Während der eine lieber einen Fineliner bevorzugt, gefällt es dem anderen eher alles mit einem besonders weichen Bleistift zu scribbeln. Finde heraus, womit Du Dich am besten auf dem Papier austoben kannst.
• Falls Du mit einem Bleistift scribbelst, so tue das nicht, um Dir die Möglichkeit offen zu halten, an Deinen Scribbles herumzuradieren oder sie gar wegzuradieren! Keine Idee ist zu Anfang verwerflich. Sie sind alle wertvoll und können ein Ansatz für eine andere, bessere sein.
• Beim Scribbeln geht es um Kreativität und die kann uns in allen möglichen Situationen des Alltags heimsuchen. Zum Beispiel im Zug oder im Wartezimmer beim Zahnarzt. Damit diese Ideen nicht verloren gehen, empfiehlt es sich, ein Sketchbook bei sich zu tragen. Ein schönes Sketchbook allein, kann bereits die Lust wecken, die Seiten füllen zu wollen und kurbelt damit die Kreativität an! Schöne Exemplare gibt es unter anderem bei nuuna mit Punktraster zur besseren Orientierung, wenn es um das Scribbeln von Web- oder Appdesigns geht.
• Versuche nicht ein perfektes Kunstwerk zu kreieren. Auch unvollständige Scribbles sind vollkommen in Ordnung, denn hier kann zu einem späteren Zeitpunkt der passende Einfall helfen, diese Lücken zu füllen.
• Mache Notizen, wenn nötig. So kannst Du zum Beispiel aufschreiben, was Du Dir bei dem ein oder anderen Scribble gedacht hast, was noch fehlt, oder wie ein bestimmtes Element reagieren soll, wenn man am Computer mit der Maus darüber fährt.
Fazit:
Beim Scribbeln handelt es sich also keineswegs um eine Modeerscheinung. Es ist ein hilfreiches Werkzeug, dass Dir bei der Ideenfindung und Strukturierung Deiner Aufgaben hilft. Nutze dieses Werkzeug oft und viel!
Du wirst feststellen, dass sich Deine Technik mit der Zeit verbessert und Du viele Grafiken schneller parat hast. Außerdem ermöglicht es Dir, eine Vielzahl an Designansätzen zu verfolgen und einige davon auszuarbeiten, anstatt Deinen Fokus nur auf eine Idee zu legen.